Sonntag, 13. März 2011

Japan – Tokio (22.02.11 – 01.03.11)

Tokio - Stadt der Extreme. Traditionsbewusste Kaiserstadt und moderne Megametropole. Eine Woche wie eine bunte Pralinenschachtel. Jeden Tag haben wir blind hineingegriffen und jedes mal was Tolles und Einzigartiges bekommen. 
Zu Anfangs waren wir etwas überrumpelt und überfordert, aber von Tag zu Tag haben wir Tokio mehr in unser Herz geschlossen, so dass wir es zum Schluss gar nicht mehr hergeben wollten.
Bei der Ankunft setzten wir uns prompt in den falschen Zug, hatten jedoch Glück, dass dieser in die richtige Richtung fuhr und einfach nur langsamer war. Als der Herr auf dem Sitz neben uns erkannte, dass wir eine Fahrkarte für den Schnellzug hatten, wurde er ganz nervös und versuchte uns das in gebrochenem Englisch zu sagen. Schwitzend brütete er über seinem IPhone in den Fahrplänen, fand aber keineIMG_6945 Umsteigestation für uns. War auch nicht nötig. Wir wollten einfach nur ankommen, wann war uns egal. Etwas später kam dann eine nette junge Dame und meinte, sie habe das ganze mitbekommen und wollte uns nur sagen, dass wir an der Bahnstation nach einer Rückerstattung für den zuviel bezahlten Betrag fragen sollten. Wir hatten das Land also kaum betreten und schon ganz viele freundliche, hilfsbereite Menschen getroffen. So sollte es uns die ganze Woche gehen. Die Japaner sind so unglaublich höflich und freundlich. Am Ende der Woche ertappten wir uns doch tatsächlich dabei wie wir mit zusammengelegten Händen, heftig nickend und ständig “Arigato, Arigato” (Dank, danke) rufend durch die Straßen zogen. Dort zu reisen machte auch ohne Sprachkenntnisse richtig Freude.
Als wir unser Hostelzimmer betraten, suchten wir vergeblich das Bett. Hier schliefen wir traditionell japanisch auf ein paar Bastmatten und Decken auf dem Boden. Damit hatten wir keine Probleme. Zum Glück konnte man die Klimaanlage im Zimmer auch als Heizung benutzen, denn hier war es richtig, richtig kalt. Wir waren vom Sommer in den Winter geflogen.
Am nächsten Morgen probierten wir dann gleich mal wieder die Tokioter U-Bahn aus und merkten, dass doch alles erstaunlich einfach war. Es gab Farben, Nummern und außerdem war jede Haltestelle neben den Schriftzeichen auch noch mit einem englischen Namen beschrieben. Unsere erste Fahrt ging gleich zur chinesischen Botschaft, denn wir brauchten noch ein Visum für China. Zwei Vormittage verbrachten wir insgesamt dort und es war im Großen und Ganzen eine echte Gaudi. Die dreistöckige Botschaft, gehörte zu dem Hektischsten was wir bisher gesehen hatten. Die Leute drängten sich darin, gingen aus und ein und standen in unzähligen Schlangen an Schaltern an, über denen Schilder mit wunderschönen chinesischen Schriftzeichen hingen. Wir betrachteten es als Glückspiel und probierten einige Schalter aus, wurden hin und her geschickt und bekamen verschiedenen Formulare, die wir dann wiederum kopieren mussten und an anderen Schaltern abgeben, wo es wieder neue Formulare gab. Bezahlen sollten wir an einem Automaten, der ungefähr 100 Knöpfe mit den tollsten Schriftzeichen hatte, aber kein einziges englisches Wort. Zum Glück erbarmte sich der Türsteher, fuchtelte ganz hektisch herum und deutete auf die die richtigen Knöpfe für uns, die wir drücken sollten. Irgendwann hatten wir dann tatsächlich die Visa und waren um einige Erfahrungen reicher.
IMG_6802 Den Tokioter Fischmarkt besuchten wir an mehreren Tagen. Meistens um in den darumliegenden Restaurants leckeres Sushi oder Sashimi zu essen. Super lecker. Ich aß sogar einmal morgens um 9 zum Frühstück Sashimi (rohen Fisch)!!! Am Ende hatten wir ein Stammlokal, in dem man uns dann immer schon freudig begrüßte und in dem sonst nur Japaner zu essen schienen. Der Kellner fragte dann auch irgendwann in gebrochenem Englisch ob wir vielleicht “Touristen” seien!!!
Wir schafften es zwar nicht um 5 Uhr morgens zu den Auktionen beim Fischmarkt zu sein, aber einmal gingen wir um kurz vor 8 Uhr hin und bestaunten die unendlich langen Tischreihen mit allem was das Meer so hergibt, sahen beim Zersägen der riesigen Thunfische zu und bemitleideten die traurigen vor sich hinvegetierenden Oktopusse.
Natürlich besuchten wir auch das Viertel Shibuya und staunten nicht schlecht über die zu jeder Tageszeit pulsierende Straßenkreuzung. Nicht nur, dass hier so viel los ist, es geht auch ums Sehen und IMG_6730 Gesehen werden. In unseren Wanderklamotten kamen wir uns in Tokio vor wie arme Bettler. Jeder ist gestylt bis in die Haarspitzen. Nahezu alle Frauen tragen Stiefel (oft bis über die Knie) und Rock. Die Männer tragen Anzug. Wir hatten das Gefühl, dass hier sogar die Bauarbeiter im Anzug mit der Metro zur Arbeit fahren und sich dann dort umziehen. Unglaublich. Bunte Farben gibt es, außer in den Leuchtreklamen, aber selten. Alle vermischten sich zu einem Einheitsbrei aus Schwarz, weiß und grau. Befremdlich war es auch für uns, dass so viele Menschen Mundschutz trugen. Nachdem ich eine Erkältung bekam war mir dann aber auch gleich klar warum. So dicht gedrängt auf engem Raum zusammenzuleben hat halt auch seine Nachteile. Vor allem in den vollgestopften U-Bahnen breiten sich die Viren rasend schnell aus. 
IMG_6760 Im Elektronikviertel blinkt, blitzt und dudelt es an allen Ecken und Enden. Die Sinne kommen schon langsam nicht mehr mit und dann landet man in einem Sega-Mega Center, in dem auf 8!!!!!-Stockwerken in allen erdenklichen Arten gezockt wird. Neben den normalen Spielautomaten gab es dort auch Schminkautomaten und ähnliches kurioses Zeug. Unglaublich auch wie verrückt die Tokioer auf die Greifarm-Automaten sind. Es gab sie überall und es standen immer Menschen davor. Ein durchaus angesagtes Hobby der japanischen Jugendlichen scheint das “Cos-Play” zu sein. Hierbei verkleidet man sich in den verrücktesten Kostümen, gerne Manga aller Art und fotografiert sich dann gegenseitig. Als wir Sonntags auf die Halbinsel Odaiba gefahren sind, sahen wir hunderter solcher Jugendlicher in den Parks. Ach ja und nebenbei haben wir dann auch noch den Tokioter Marathon miterlebt.
Das schöne an Tokio ist, wenn einem das alles zuviel wird, dann kann man der Reizüberflutung den Rücken zukehren, in die U-Bahn steigen und zum Beispiel nach Asakusa fahren (wo wir auch wohnten). Dieser Stadtteil wurde im II Weltkrieg nicht zerstört und wenn man durch die schnuckeligen, kleinen Gässchen läuft, kommt man sich vor wie im alten Japan. An einem Tag als wir dort waren, hat es tatsächlich geschneit und wir kamen uns vor wie auf dem Weihnachtsmarkt, als wir über den Bazar liefen. Die Tempelanlage gleich neben dem Bazar strahlte so eine angenehme Ruhe aus und es war einfach nur interessant, den Leuten zuzusehen, die sich an den Brunnen IMG_7322reinigten, bevor sie den Tempel betraten oder Räucherstäbchen anzündeten. Es gab eine große Schachtel, die man schütteln konnte und dann kam per Zufall ein Stäbchen mit einem japanischen Zeichen heraus. Man musste nur die richtige Schublade finden und konnte sich schon einen Zettel mit seiner persönlichen Zukunft herausholen. 
Wer noch mehr Ruhe sucht kann einen der wunderschönen japanischen Gärten besuchen oder auch mal aus Tokio herausfahren und sich das Land ansehen. Wir fuhren an einem Tag mit dem Zug nach Nikko, drei Stunden nördlich von Tokio. Dort besuchten wir die wunderschönen Tempel und spazierten ein wenig herum. Es war leider unglaublich kalt (es lag sogar noch Schnee dort) und mich hat an diesem Tag irgendwie eine Blitzgrippe erwischt. So konnte ich es gar nicht richtig genießen und war froh, als wir wieder im warmen Hotelzimmer in Tokio waren.
Am letzten Abend fuhren wir noch einmal in den 45.Stock des Tokioter Rathauses, von wo aus man einen atemberaubenden Blick über die beleuchtete Stadt hatte.
Wir hätten gerne mehr von Japan gesehen aber die eine Woche war leider viel zu kurz dafür. Wir haben die Menschen hier richtig ins Herz geschlossen und umso erschütterter sind wir jetzt, als wir von dem verheerenden Erbeben in Japan gehört haben. In Gedanken sind wir bei den Japanern.

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